Bibelvers der Woche 05/2020

Und da Husai hinein zu Absalom kam, sprach Absalom zu ihm: Solches hat Ahithophel geredet; sage du, sollen wir’s tun oder nicht?
2. Sam 17,6

Der Vers ist uneingeschränkt zufällig gezogen aus der Lutherbibel 1912. Hier ist ein Link zum Kontext in der Lutherbibel 2017.

Wahrheit und alternative Wahrheit

In unserem Vers steht ein richtiger Rat einem falschen gegenüber, einem Rat, der den Untergang des Beratenen bezweckt. Nun muss der Herrscher richtig von falsch unterscheiden können — sein Leben hängt davon ab. 

Es herrscht Bürgerkrieg. Absalom hat sich gegen seinen Vater David aufgelehnt. Das Volk ist mit dem jungen und strahlenden Absalom, und David verlässt die Stadt Jerusalem, bevor es zu spät ist. Mit einem Gefolge treuer Anhänger lagert er am Rand der Wüste, demoralisiert, aber noch nicht geschlagen.

Guter Rat gilt überall in der Bibel als kriegsentscheidend, und mit Ahitofel hatte Absalom als Berater eine wahre Wunderwaffe von David abgezogen. Von ihm wird gesagt: „Wenn damals Ahitofel einen Rat gab, dann war das so, als wenn man Gott zu etwas befragt hätte, so viel galten Ahitofels Ratschläge bei David und bei Absalom. 

Als David hört, dass Ahitofel übergelaufen war, betet er „Herr, mach Ahitofels Rat zu Torheit.“ Und er bittet einen anderen Berater, seinen Freund Huschai, gleichfalls nach Jerusalem zurückzukehren und seine Dienste dem Sohn anzubieten. Er soll den Ratschlag Ahitofels zunichte zu machen. Und tatsächlich: Absalom nimmt beide Männer Davids in seinen Dienst.

Und schnell stehen sich zwei Wahrheiten zweier Berater gegenüber. Ahitofel rät, die Schwäche Davids auszunutzen und diesen mit allem, was unmittelbar verfügbar ist, sofort zu verfolgen, zwölftausend Mann immerhin. Absalom findet den Ratschlag gut. Er beschließt aber, auch Huschai zu befragen. Der rät zum Gegenteil. Eine rasche Reaktion aus dem Stand, sagt er, könne Verluste bedeuten, und in der unübersichtlichen Gemengelage des Bürgerkriegs kann schnell das Gerücht entstehen, Absalom hätte eine entscheidende Niederlage erlitten. David habe eine ungeheure Reputation als Kämpfer, die Absalom schnell gefährlich werden könne. Daher soll er den nächsten Schritt gut vorbereiten und den Schlag erst dann führen, wenn seine Übermacht erdrückend ist. 

Beides klingt begründet. Ahitofel argumentiert mit der Demoralisierung Davids und seiner Truppe, er weist auf eine Chance hin. Huschai stellt das Risiko in den Vordergrund, er warnt vor der Kämpfernatur Davids und seinem gewaltigen Ruf, die einen kleinen Fehler zum Verhängnis machen können. Der Leser weiß, dass Huschai ein Agent Davids ist, Absalom weiß es nicht.

Und er wählt falsch. In diesem Moment verliert er den Krieg und sein Leben. David wird über die Entscheidung informiert und reagiert rasch. Er zieht sich in die Wüste zurück, die er so gut kennt, und ordnet seine Kräfte neu. Wenig später kann er seinen Sohn vernichtend konfrontieren. 

Über Ahitofel wird noch folgendes berichtet: „Als aber Ahitofel sah, dass sein Rat nicht ausgeführt wurde, sattelte er seinen Esel, machte sich auf und zog heim in seine Stadt, und bestellte sein Haus, und erhängte sich und starb und wurde begraben in seines Vaters Grab.“ 

Wie hätte Absalom richtig wählen können? In der Bibel gilt die Fähigkeit, richtig und falsch unterscheiden zu können, als Gabe Gottes. Gott stand hier auf Seiten Davids. Viel später geschieht etwas Vergleichbares, wieder in Jerusalem, als König Zedekia eine folgenreiche strategische Entscheidung treffen muss, siehe BdW 2019 KW 31. Der Prophet Jeremia spricht wahr, aber Zedekia kann es nicht erkennen und soll es auch gar nicht. 

Im Vers sind richtig und falsch verschiedene Interpretationen derselben Wirklichkeit. Manchmal stehen solche Interpretationen vor uns wie Zwillinge, und wenn wir uns entscheiden, teilt sich die Welt. Der Herr kann uns das richtige fühlen lassen. Er schütze uns vor Verblendung in dieser Woche,

Ulf von Kalckreuth

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